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Beitrag vom 10.08.2019
Ulrike Rausch
Schriftgestalterin

Schrift & Lernen

Ich habe bei Lucas de Groot viele Kurse gemacht und dort natürlich ganz viel gelernt. Als ich bei ihm die Kurse belegt habe, war das hauptsächlich, weil ich die Typografie-Kurse nicht so toll fand. Ich dachte, wenn ich bei Lucas einen Schriftgestaltungskurs mache, dann lerne ich erstmal zu beurteilen, ob eine Schrift gut ist oder nicht – besonders, wenn man erst einmal selbst an den Kurven rumzuppeln muss.
Aber ich hatte nicht im Hinterkopf, dass ich selbst mal Type Designerin werden könnte, es war eher das Mittel zum Zweck, um besser mit Schriften umgehen und Schriften bewerten zu können. Das hat auch sehr gut funktioniert, da habe ich sehr viel gelernt. Aber wie gesagt, dass ich selber Type Designerin werden würde, stand in den Sternen. Das war für mich etwas total Abstraktes, Verrücktes und Ungreifbares. Daher habe ich mich erst einmal auf Illustration spezialisiert und bin dann erst nach ein, zwei Jahren wieder zurück zum Type Design gekommen.

Ich verbringe also ganz viel Zeit mit der Schrift, sodass man vielleicht doch merkt, dass sich da jemand mehr Mühe gegeben hat als sonst.

Dadurch, dass ich Student war, habe ich mir vieles selbst beigebracht. Das Gute ist natürlich, wenn man in Berlin wohnt und dort ganz viele Angebote an Type Design und Typografie hat, kann man sich ganz viel mit anderen Leuten austauschen und voneinander lernen, Workshops belegen und sich dort weiterbilden. Das andere, wo ich immer wieder merke, dass man dabei äußerst viel von lernt, sind Hindernisse, die einem in den Weg gestellt werden. Wenn beispielsweise bestimmte OpenType-Features in Programmen nicht unterstützt werden, muss man sich spezielle Brücken überlegen, wie das doch funktioniert. Man muss recherchieren, was es eventuell für andere Möglichkeiten gibt, diese Effekte in einer Schrift zu realisieren.

Ulrikes neueste Veröffentlichung »Making Fonts«

Ab und zu mache ich auch Custom Fonts für Kunden. Natürlich ist es so, dass ich da meistens nicht so wirklich Lust darauf habe, da ich viel lieber an meinen eigenen Schriften arbeiten würde. Trotzdem merke ich dann oft, dass es schon eine gute Erfahrung ist, mit Kunden zusammenzuarbeiten, weil diese oft Sachen von einem wollen, an die man selbst gar nicht gedacht hätte. Dadurch wird man gezwungen, aus seinem gewohnten Feld rauszukommen. Diese Kundenprojekte sind daher super zum Lernen in anderen Strukturen, die der Kunde dann gut findet. Da kann man sich immer weiterbilden.

Schrift & Liebe

Ja, was soll ich sagen? Meine Foundry heißt LiebeFonts. Das spielt darauf an, dass die Schriften alle mit ganz viel Liebe ausgestattet sind. Ich verbringe also ganz viel Zeit mit der Schrift, sodass man vielleicht doch merkt, dass sich da jemand mehr Mühe gegeben hat als sonst. Daher: Ganz viel Liebe!

Wissen teilen: Ulrike ist Mitinitiatorin vom »Berlin Letters Festival« © Foto: Normen Posselt

Schrift & Wut

Gut, da könnte ich nochmal drauf anspielen, dass oft OpenType-Features in Programmen nicht oder falsch unterstützt werden oder ganz versteckt sind. Das ärgert mich natürlich sehr, weil ich sehr viel Zeit damit verbringe, diese Features zu bauen und dann Grafikdesigner oftmals gar nicht wissen, dass es sie gibt, weil sie so versteckt sind oder sehr unkomfortabel zu erreichen sind. Dazu ärgert es natürlich, wenn irgendwelche fiesen Bugs in Programmen drin sind, die das nochmal unterstützen, dass OpenType-Features nicht dargestellt werden. Wenn man dann Bugreports schreibt und keine Reaktionen darauf kommen frustriert das noch mehr.

»Ulrike! This Bug is amazing!«. Er hat sich total gefreut, wie großartig dieser Bug sei, den ich da gefunden hatte

Andererseits kann ich dazu auch ein positives Beispiel erwähnen: Ich habe vor wenigen Wochen bei den TYPO Labs einen Vortrag gehalten. Da habe ich auch gezeigt, was man Tolles mit OpenType-Features machen kann und was sie für großartige Möglichkeiten bieten. Aber auch, wie verschiedenste Software sie oft nicht richtig darstellen können. Nach meinem Talk kam jemand von Apple, genauer Safari, auf mich zu. Er hatte in einem Slide von mir gesehen, dass ich dort eine negative Bemerkung zu einem nicht funktionierenden Feature gemacht hatte. Er zeigte großes Interesse daran, dieses Problem zu beheben. Ich dachte mir, das erzähle er nur so, aber gleich am nächsten Tag fragte er auf Twitter nach, ob er ein paar Test-Fonts dafür haben könne. Ich habe ihm einen relativ ausführlichen Bug Report geschrieben und Schriften zum Testen mitgeschickt. Zuerst habe ich nichts zurückgehört, aber zwei Wochen später kam eine E-Mail zurück, »Ulrike! This Bug is amazing!«. Er hat sich total gefreut, wie großartig dieser Bug sei, den ich da gefunden hatte und der vor mir noch nie jemandem aufgefallen war. Ich habe geantwortet, dass gerade mein Herz schmelze und ich mir wünschte, dass Adobe auch nur ansatzweise so reagieren würde auf meine Bug Reports. Das ist also so ein schönes Beispiel. Tatsächlich ist er auch dabei, den Bug zu beheben, in einem der neuen Releases wird der Bug behoben sein und ich werde dann sogar bei den Contributors aufgeführt!

Ulrikes Fonts

Schrift & Zukunft

Mir selbst macht meine Arbeit total viel Spaß, ich würde das gerne sehr lange weiter machen, aber ich bin mir nicht sicher, ob das auch ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell ist in der Form, da ich merke, dass die Verkäufe meiner Schriften deutlich zurückgehen. Nicht zuletzt, da immer mehr Type Designer besonders im Markt für Display Fonts aktiv sind. Zudem sieht man immer öfter Schriften, die mit 90% Rabatt angeboten werden. Da kann ich dann irgendwann nicht mehr mithalten. Da bin ich auf jeden Fall gespannt, wie das in Zukunft weitergeht.
Ich habe im Moment zwar keine Geldsorgen, statt der Lizenzeinnahmen mache ich öfter Custom Fonts, das hatte ich früher nicht, von daher hält sich das jetzt die Waage. Da würde ich mich auch freuen, wenn ich in Zukunft auch öfter Custom-Schriften machen könnte. Das macht nämlich nicht nur Spaß, sondern ist auch eine ganz gute Mischung zwischen den Lizenzeinnahmen der eigenen Schriften und den Arbeiten für Kunden. In jedem Fall wäre das etwas, was ich mir wünschen würde, aber ich weiß nicht, ob Type Design im Retail etwas ist, was auch in Zukunft monetär gut aussieht.